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Uhrzeit (MEZ)

Du gehst weiter. Ist ja egal.
Der Schnee bedeckt deine Seemannsmütze. Das blau verschwindet langsam. Wird aufgefressen.
Dein Atem schlägt sich, schwer wie London-Nebel, in dein Gesicht.
Wenn auch sonst nichts, dieser Atem kommt von dir, nur von dir.
Knirschen b
egleitet deine Schritte. Als würde die Kälte unter deinem Schuhwerk aufheulen.

Du nimmst deine Gedanke von eben wieder auf.
Der Wind zieht hart um deinen Schädel. Du bist dir sicher, er will deine Grübelei einfrieren.
Damals, eine leise Bewegung macht sich in deinen Mundwinkeln breit, war es so.
Du hast einfach so gelächelt. Auf der Brücke.
Damals.
Die Augen kneifen sich zusammen. Das Schneegestöber kommt nun direkt von vorne.

Wieder drehst du dich um. Haben sie nun gejubelt?
Vielleicht.
Würde es denn einen Unterschied machen?

Väterchen Frost schlägt in dein Gesicht.
Schwer ziehen sich deine Beine nach vorne. Bloss nicht stehen bleiben. Weg.
Was ist denn eigentlich geschehen?

Die Dinge sind gewachsen. Es war anders.
Bist du nicht dabei gewesen, als es sich veränderte?
Hast du sie genau in dem Moment alleine gelassen?
Es wurde schneller. Alles. Die Tiefe hast du verloren. Nicht vollständig, aber.......
Warum konntest du nicht weitertreiben? Nach unten? Noch tiefer.

Sie jubeln. Du glaubst es hören zu können.
Diesmal drehst du dich nicht um. Sollen sie. Egal.
Du wirst immer wieder aufstehen. Das Rocky-Prinzip.
Wieder ein Lächeln. Ein bitteres.

Fehler?
Du suchst sie.
Die Biese frisst sich in dich. Treibt die eisige Luft in dein Herz.
Warum? Du bemerkst gerade, dass du dir diese Frage zum ersten mal stellst.
Ein Gefühl sagt dir, sie wird noch oft kommen. Noch sehr oft.
Wirst das Gefühl haben von ihr zu leben.
Warum!
Langsam drückt sich deine Mütze schwer auf dein Haupt. Der Schnee hat das letzte blau begraben.
Kalt? Ansichtssache.
Die Haut an deinen Fingern beginnt zu platzen.
Das Blut tropft in den Schnee und ist zugedeckt bevor es darauf gelandet ist.
Kalt? Ansichtsache.

Doch, jetzt glaubst du dir sicher zu sein.
Sie haben gejubelt.
Ja, es war so. Jetzt bist du dir sicher. Es war Jubel.

Du denkst daran zurück. Bewusst zu erleben. Es aufsaugen. Halten. Das wolltest du.
Manchmal hast du sie angesehen und einfach in dir aufgenommen.
Manchmal ist dir das gelungen.
Trotz dem Gefrierpunkt in deinem Hirn kommt sie zum Vorschein.
Ihre Falten beim Lachen.
Konntest dich nicht satt sehen.
Manchmal hast du es geschafft. Hast sie wirklich aufgenommen.
Hast dazu gelernt. Dachtest du. Bis eben.

Es fällt dir schwer, aber du bleibst noch einmal stehen. Dein Kopf dreht sich. Zurück.
Dein Blick über die Schulter. Du siehst sie ganz deutlich. Beide.
Sie stehen da und lassen dich im Winter verschwinden.
Es war ein Jubel. Ganz bestimmt.

Du beginnst dich zu fragen ob du eine Chance hattest.
Eigentlich sinnlos. Hypothetisch.
Es ist nicht so, dass du gebrochen wärst.
Das kommt erst noch.
Wieder denkst du an die Brücke. An das Lächeln. Damals. Einfach so.
Einfach so?
Wirst du das wieder bekommen? Diese Fähigkeit?
Die Tube kommt dir in den Sinn. Jetzt lachst du. Für einen Moment ist es zurück. Nur kurz.
Hast du sie missverstanden? Hat sie dich? Was verdammt noch mal ist geschehen?

Die Zeit ist vorbeigegangen und du hast es nicht geschafft mit ihr Schritt zu halten.
Dabei hast du dich so sehr darum bemüht. Warst aufmerksam.
Einsehen. Es wird dir nie gelingen alles zu erfüllen. Aber, das wusstest du ja schon vorher.
Verzweiflung? Eher Ernüchterung.
Du warst diesmal wirklich bereit. Hast es diesmal gewusst und entsprechend gehandelt.
Du würdest den "Fehler" wieder machen. Deine Geschichte wieder erzählen.
Selbst wenn das Schuld war. Du würdest es wieder tun. Genau gleich.

Du siehst immer noch zu ihnen zurück. Sie sehen immer noch zu dir.
Dein Gesicht kämpft sich wieder nach vorne.
Der Schnee, der sich in deinem Jackenkragen gesammelt hat,
drängt dem Rücken entgegen.
Soll er. Wird schmelzen. Wird nass. So ist das nun einmal.

Also was war es?
Bist du zu schnell gewesen? Hast zu viel gegeben? Zuwenig verlangt? Daneben gegriffen?
Konnte sie überhaupt verstehen?
Der Gedanke sie erdrückt zu haben breitet sich aus. Scheisse, was hättest du denn tun sollen?
Dabei war's das, was du vermeiden wolltest.
Freiheit ist eine gefährliche Sache. Man muss mit ihr umgehen können.
Sehr gefährlich.

Jetzt bist du dir sicher. Sie jubeln. Sie lachen.
Sie, dein Schicksal und deine Vergangenheit.
Sie haben dich noch von ihrer Haustür bis zum Gartentor begleitet.
Dort liessen sich dich dann los. Alle beide.
Alleine.

Sie haben daneben gestanden als sie es dir sagte. Sie haben mitgehört.
Dann hat sie dich zum Ausgang gebracht und sie sind hinterhergetrottet.
Zugeschaut haben sie, wie sie dich zum letzten mal in die Arme nahm und drückte.
Wolltest die Zeit anhalten. Nic
ht loslassen. Nur nicht loslassen. Wenn sie loslässt, ist es vorüber.
Sie hat losgelassen.
Sie haben dabei zugeschaut.

Jetzt stehen sie immer noch an ihrem Gartentor. Schauen dir nach.
Können sie dich überhaupt noch sehen?
Du hörst mindestens ihren Jubel. Wirst ihn wohl ewig hören.
Nebeneinander, sich gegenseitig stützend, haben sie dich dir selbst überlassen.
Es gibt immer welche die sich am Schmerz anderer erfreuen.
Diesmal sind eben sie es. Diese Beiden.

Dein Schicksal und deine Vergangenheit.